Madeleine Sophie Barat

(1779 – 1865)

Die Biographie der Gründerin des Sacré Coeur-Ordens 

Sophie Barat wurde in der Nacht des 12. Dezember 1779 als letztes von drei Kindern geboren. Ihre Heimatstadt Joigny – im heutigen französischen Departement Yonne gelegen – hatte eine hauptsächlich an den Weinbau und den Wald gebundene Wirtschaft. Sophies Eltern stammten beide aus Fassbinderfamilien. Zum ländlichen Kleinbürgertum gehörend und im gesellschaftlichen Aufstieg begriffen, war die Familie Barat vermögend und wusste um die Bedeutung einer guten Ausbildung.

Sophie kam als Frühgeburt zur Welt und war daher zart und klein für ihr Alter. In der zarten Gestalt verbarg sich jedoch ein temperamentvoller Geist. Sie war zwar schüchtern, aber ihre spontanen Reaktionen waren impulsiv. Sophie Barat war nie um eine Antwort verlegen und fand immer die richtigen Worte. Sie liebte Ablenkungen und Spaziergänge in den Weinbergen. Sie kam leicht mit ihrer Umgebung in Kontakt und konnte dies durch spontane Gesten der Zuneigung zeigen.

Dank ihrer Mutter, dann auch ihres Bruders Louis, der 11 Jahre älter war als sie, bot sich ihr die Möglichkeit, eine Erziehung zu erhalten, die keineswegs der der meisten anderen Mädchen ihrer Umgebung entsprach. Im Alter von zehn Jahren wurde Sophie ihrem Bruder anvertraut, der ihre Studien wirksam, wenn auch streng, organisierte. Infolge ihrer hohen Begabung gewann Sophie eine weit reichende Bildung; zu Hause folgte sie dem Lernprogramm, das Louis in der Schule von Joigny, in der er Lehrer war, unterrichtete: moderne und alte Geschichte, die Heilige Schrift, Latein, Mathematik, Griechisch, Physik, Einführung ins Hebräische, gründliche Kenntnisse des Italienischen und des Spanischen. Dieses Programm war schwer, doch es war für Sophie eine Freude zu lernen. Indem sie so in den Genuss des Lesens und des Denkens kam, bereitete sie sich für die Aufgabe als Erzieherin vor, die sie später übernehmen sollte.

Sophie zeigte ihre frühe Reife auch, indem sie sich seit dem fünften Lebensjahr dazu entschlossen erklärte, ihr Leben Gott zu weihen. Im Jahre 1789 erhielt sie die Erste Heilige Kommunion. Ihr Leben war fromm und voll des religiösen Eifers. Jeden Tag besuchte sie die Morgenmesse in der Kirche Saint Thibault. Im Alter von vierzehn Jahren beschloss sie, ein Jungfräulichkeitsgelübde abzulegen. Louis Barat kaufte während eines seiner Aufenthalte in Paris Bilder des Herzens Jesu und des Herzens Mariä. Vor diesen Bildern, die der Familie einen neuen Aspekt des göttlichen Mysteriums enthüllten, versammelten sich die Barats zum täglichen Gebet.

Die Revolution brachte Unruhe in das Leben der Familie. Louis Barat war gezwungen unterzutauchen und versteckte sich einige Zeit im Verschlag eines Getreidespeichers in der Rue Davier. Der Besitz der Barats wurde beschlagnahmt. Aus Angst, das Leben der Seinen in Gefahr zu bringen, floh Louis schließlich nach Paris, wo er im Mai 1793 verhaftet wurde. Wie durch ein Wunder entkam er der Guillotine. Sophie stellte in dieser Situation ihre Charakterstärke unter Beweis, indem sie ihrer Mutter Mut zusprach. Doch sie bewahrte aus diesen Tagen des Schreckens Angst und Grauen vor der Revolution, die sie als „Zeit des Hasses auf Jesus Christus“ bezeichnete. Die Marseillaise ließ sie 1840 noch immer erschauern und noch 1848 erweckten Volksversammlungen in ihr ein Gefühl des Schreckens und der Angst.

Im Januar 1795 wurde Louis Barat aus dem Gefängnis entlassen; im September desselben Jahres wurde er zum Priester geweiht. Er fragte sich, ob seine Schwester nicht Joigny verlassen sollte, um in Paris unter seiner Obhut ihre Studien und die religiöse Ausbildung fortzusetzen. Sophie schwankte; sie war hin- und hergerissen zwischen der Liebe zur Mutter, deren zarte Gesundheit sie kannte, und ihrem Verlangen nach dem geistlichen Leben, das sie zu Hause nicht voll realisieren konnte. Dass der Vater die Umsiedlung befürwortete, brachte die Entscheidung. Im September 1795 verließ Sophie mit einer Postkutsche Joigny.

Ihr Bruder brachte sie in Paris in der Rue de Touraine Nr. 2 unter (heute Rue de Saintonge 4). Dort feierte er die heilige Messe im Geheimen. Sophie unterrichtete die Kinder des Viertels und lehrte auch den Katechismus. Sie verfolgte ihre eigene religiöse und schulische Bildung weiter und traf einige junge Frauen, mit denen sie sich zusammentat und ein gemeinsames Leben begann. Sie entwickelte die Vorstellung von einem geistlichen Leben, die eine neue Art der Herz-Jesu-Verehrung und eucharistische Frömmigkeit mit der Mädchenerziehung verknüpfte, d. h. Innerlichkeit und apostolische Tätigkeit miteinander verbinden sollte.

Im Herbst 1800 fand eine entscheidende Begegnung statt: Sophie traf Père Joseph Varin. Nachdem dieser aus der Emigration nach Frankreich zurückgekehrt war, versuchte er hier ein kurz zuvor gegründetes weibliches Institut geistlichen Lebens bekannt zu machen. Es handelte sich um die Dilette di Gesù, die sich der Erziehung der Mädchen widmen wollten, um die Liebe des Herzens Jesu zu verbreiten. Die erste Weihe Sophies fand am 21. November 1800 in der Kapelle der Rue de Touraine statt. Ein Jahr später, am 13. November 1801, ließ sich eine erste Gemeinschaft – bestehend aus Sophie selbst und zwei weiteren Frauen, Henriette Grosier und Geneviève Deshayes – in Amiens nieder: Ein neu konzipiertes apostolisches Ordensleben konnte nun Gestalt annehmen.

Von 1801 an verschmolz Sophies Leben immer mehr mit dem ihrer Kongregation. Am 21. Dezember 1802 wurde sie Oberin der Gemeinschaft in Amiens. Ihre hervorragenden menschlichen und geistlichen Begabungen zeigen sich damals schon deutlich, so dass man sie zur Leiterin des Hauses bestimmte. Mère Barat erwies sich als klug und fest in der Ausübung der Leitung und in ihrem persönlichen Leben verstand sie es, Eigenständigkeit und Abhängigkeit miteinander zu vereinbaren. Es gelang ihr, ein von Freude und gegenseitiger Liebe geprägtes Gemeinschaftsleben zu schaffen, das später der Gesellschaft vom heiligen Herzen Jesu den Wahlspruch „Cor unum et anima una in corde Jesu“ geben sollte. In Amiens begann das für den Orden des heiligen Herzens charakteristische Apostolat: Es richtete sich durch zwei verschiedene Arten von Schulen – die Pensionate einerseits und die externen Schulen für arme Kinder andererseits – an unterschiedliche Zielgruppen.

Die neu entstandene Gemeinschaft war von Anfang an allen möglichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Aus politischen Gründen muss sie sich von den Dilette di Gesù trennen. Im Kaiserreich unter Napoleon durfte sie nicht auf das „Heilige Herz Jesu“ Bezug nehmen (der Begriff weist auch auf eine politische Einstellung hin). So wurde der Orden unter dem Namen der „Dames de l’Instruction Chrétienne“ anerkannt. Von 1804 an begann die Gesellschaft sich in Frankreich auszubreiten. Das erste neu eingegliederte Haus war das Kloster der Schwestern von Sainte Marie d’En Haut in Grenoble, das von Philippine Duchesne, die dort als Novizin eingetreten war, nach der Revolution zurückgewonnen worden war. 1806 wurde die nun sechsundzwanzigjährige Mère Barat zur Generaloberin auf Lebenszeit gewählt. Als solche reiste sie fast ein halbes Jahrhundert lang erst durch Frankreich, dann durch Europa, um neue Gemeinschaften zu gründen oder bereits bestehende Ordenshäuser einzugliedern und schließlich um die Einheit zu beleben und zu stärken.

1807 erschütterte eine Krise den jungen Orden. Der Konflikt betraf nicht die apostolische Tätigkeit, sondern das Charisma und die Autorität von Mère Barat und die Leitungsstrukturen des Ordens. Erst 1815 gelang es der Gesellschaft, die Bindung an die ursprüngliche Intuition der Gründung zu erneuern. Die Restauration der Monarchie ermöglichte es jetzt, den Namen zu benutzen, der ihr Charisma und ihren Lebenszweck begründet und zum Ausdruck bringt: „Gesellschaft vom Heiligen Herzen Jesu“. Am 16. Dezember 1815 brachte die Annahme der Konstitutionen Klarheit in eine rechtlich verworrene Lage und wurde die Grundlage dafür, das Leben in der Ordensgesellschaft zu organisieren. Der heilige Stuhl approbierte die Konstitutionen im Dezember 1826.

In ihrer Tätigkeit als Oberin verfasste Mère Barat eine Vielzahl von Briefen, von denen bis heute 14.000 erhalten sind. Am 25. Mai 1865 starb sie nach langer Krankheit. Sie wurde in Brüssel beigesetzt. 1925 wurde sie heilig gesprochen. 2009 wurde ihr unversehrter Leichnam in die Kirche François Xavier in Paris überführt und ruht dort seither in einem Sakorphag. Ihr Gedenktag ist der 25. Mai.

Größtenteils entnommen aus:
Die Gesellschaft vom Heiligen Herzen Jesu,
Éditions du Signe, Strasbourg 1999.